Sat Nam ihr lieben Seelen,
heute morgen ist mir (mal wieder) deutlich bewusst geworden, das meine Kinder eine andere Generation sind. Alles hat sich so unglaublich schnell geändert. Die Herausforderungen vor denen wir heute stehen, sind für die Kinder von heute normal. Stelle man sich vor, wir gehen 38 Jahre in die Vergangenheit, ich komme aus der Schule, und für die Hausaufgabe soll ich einen QR Code scannen. Na, stellt ihr euch das gerade vor? Nur ein Beispiel das aufzeigt, das Früher nicht viel mit Heute gemein hat.
Wenn wir im Internet unterwegs sind, und die einschlägigen Sozial Medias besuchen, dann kommt uns unweigerlich mindestens ein Post unter, in dem deutlich gemacht wird, das früher, ohne Internet , alles besser war. Und wie viele liken das, teilen es und schwelgen in nostalgischen Gefühlen? Da ist wahrscheinlich niemand vor gefeit. Aber was ist es , was uns hier wehmütig in die Vergangenheit sehen lässt? Was bringt uns zu der Aussage, früher war alles besser?
Ehrlich gesagt, macht mich diese Aussage mit schöner Regelmäßigkeit wütend und traurig.
Das ist nur eine von vielen Aussagen, die man so in den Raum wirft, und sich gar keine Gedanken darüber macht, was genau man da behauptet. Die Theorie des Umkehrschlusses lässt sich praktisch ja überall anwenden. Nur das sich kaum jemand die Mühe macht, darüber nach zu denken.
Früher war alles besser...als heute? So ist es gemeint. Praktisch gesehen behaupten wir also, das früher alles besser war, und jetzt, die Kindheit und Jugend unserer Kinder ist im Umkehrschluss, schlechter . Denn früher war ja alles besser. Das ist ignorant, und gemein. Werten wir damit doch die Kindheit und Jugend unserer Kinder herab.
Stellen wir uns folgendes Szenario vor:
Wir sitzen mit unseren Kindern am Abendbrottisch. Es gibt vielleicht ein vegetarisches oder sogar veganes Essen. Denn die Gesundheit, das Klima der Tierschutz...
Früher gab es Käse oder Salamibrot.
Wir reden darüber das man mehr auf das Klima achten muss, wir haben erst kürzlich im Internet einen neuen Artikel gelesen. Es soll lieber heute als morgen nur noch Elektroautos geben, dabei könnten wir die gar nicht alle laden, außerdem hört man sie nicht. Das ist herrlich leise, und verdammt gefährlich, denn Kinder und Tiere hören die heran nahende Gefahr nicht. Außerdem diskutieren wir mit unserem Kind/Jugendlichen, mal wieder, über dessen Daddelei, was soll aus dir nur werden. Früher, da hatten wir noch echte soziale Kontakte.
Unterm Strich sagen wir unsern Kindern also, das wir sie ungefragt in diese Welt gesetzt haben, in diese Welt wo alles nicht so toll ist wie früher. Und weil früher alles besser war, ist jetzt das Klima kaputt, und wir essen keine Tiere mehr, auf das die Kuh ausstirbt, braucht ja keiner mehr. Und jetzt sorgt bitte dafür das morgen alles besser ist, weil früher alles besser war, aber alles kaputt gemacht hat, und alles besser macht ihr bitte mit den Hilfsmittel von sehr viel früher, denn da wo alles besser war, war eigentlich nur alles ignorant. Denn sonst wäre heute ja nicht alles kaputt. Und am besten ist, ihr bekommt viele Kinder, wir brauchen Fachkräfte, die uns pflegen, unsere Rente zahlen und natürlich die Welt retten. Die Welt , die wir damals, wo alles besser war, kaputt gemacht haben. Und weil die Welt kaputt ist, und faktisch nicht zu retten, und wir uns ohnehin über Generationen verschuldet haben, überlege dir mein liebes Kind, möchtest du in diese Welt Kinder setzen? Besser wird das ja nicht mehr. Achja, früher, ja früher. Da war alles besser...
Das ist jetzt natürlich überspitzt. Und natürlich feiere ich meine Kindheit und Jugend. Mit Gummitwist, Fanta trinken mit Plastikstrohhalm. Negerkusstorte, und Regina Regenbogen. Mit Frühlingsfesten und Steakbrötchen. Mit Telefonen mit Spiralkabel. Mit Zank, leg auf, ich erwarte einen Anruf. Und ja, meine Oma hatte ein Telefon mit Wählscheibe. Süsses haben wir einzeln ausgesucht und in weißen Papierspitztüten bekommen, und eine Schleckmuschel kostete ein paar Pfennig. Ja, ich feiere meine Jugend. Aber eigentlich feiern wir das Gefühl, das damit verknüpft ist. Und das ist für jeden einzigartig. Der eine feiert seine Jugend auf dem Land, mit allem was dazu gehört. Der andere seine Großstadt Kindheit. Jeder der eine halbwegs schöne Kindheit hatte, wird die Gefühle die sie uns geschenkt hat in Ehren halten. Aber unsere Kinder werden auch schöne Gefühle mit ihrer Kindheit verknüpfen. Irgendwann werden sie wehmütig ihrer Kindheit gedenken, mit allem was jetzt dazu gehört.
Feiert eure Jugend, unbedingt. Aber früher hatten wir viel tolles, aber nicht automatisch besser. Jedes Kind hat das Recht auf die beste Kindheit. Egal ob in den 80ern oder 2020gern. Wir als Eltern sind nicht dazu da, unseren Kindern aufzuzeigen das früher alles besser war. Wir müssen sie begleiten, ihnen Raum zum entwickeln geben. Denn die Technik die es damals nicht gab, ist die Zukunft unserer Kinder. Für sie muss es normal sein dürfen, damit sie sich später behaupten können. Wir dürfen sie nicht ausbremsen, in dem wir die Technik verteufeln, und sie doch tagtäglich selbst nutzen.
Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, das sie eine tolle Kindheit haben. Vielleicht nicht mit Schnurtelefon und Autokino. Dafür mit Switch und Streamingdiensten. Und das eine schließt das andere nicht aus. Ja, wir waren draußen, bis die Laternen angehen. Meine Kinder gehen auch raus. Vielleicht nicht bis die Laterne angeht, sondern Mama eine WhatsApp schickt. Aber sie haben trotzdem aufgeschlagene Knie, und Löcher in den Hosen. Sie sammeln Steine und Stöcke. Sie spielen Rollenspiele. Und wenn wir nachhause gingen, und unsere sozialen Kontakte bis morgen warten mußten, können sie ihrer besten Freundin heute über WhatsApp, in ihrem Liebeskummer bestehen, oder virtuell noch ein paar Abenteuer gemeinsam erleben. Und während früher, der Freund umgezogen ist, und einfach mit der Zeit in Vergessenheit geriet, bleibt man jetzt so viel einfacher in Verbindung, oder findet sich irgendwann über Facebook wieder.
Früher war vieles toll. Ich liebe meine Kindheit und Jugend. Ich trage die 80er und 90er immer fest im Herzen. Aber weil sie toll waren. Es war nicht das Schnurtelefon oder das fehlende Internet. Es war das was wir daraus gemacht haben. Die glücklichen Erinnerungen die wir gesammelt haben. Und jetzt müssen wir dafür sorgen, das auch unsere Kinder glückliche Erinnerungen sammeln können. Andere als wir, aber glücklich.
Und hier möchte ich gern meine persönliche Meinung anhängen:
Alle die mir erzählen das sie eine glückliche Kindheit hatten, hatten eines gemeinsam. Und es waren nicht teure Markenschuhe, oder 3mal im Jahr in Urlaub fliegen. Es war auch nicht, das die Eltern jeden Tag super Bento Boxen mit Sternenbrot und Herzkarotten herrichteten, und jede freie Minute mit Aktivitäten und Ausflügen gefüllt haben.
Es war Zeit und Freiraum. Zuhause, Familienzeit und Ausflüge hin und wieder bilden einen tollen Rahmen. Aber innerhalb dieses Rahmens lasst eure Kinder los. Sie brauchen nichts mehr als Zeit und Freiraum ohne Eltern. Um echte Freundschaften zu schließen, mit Geheimnissen die zusammen schweißen. Mit einem gemopsten Apfel, dem ersten Kuss, der ersten Zigarette. Und all das ohne Eltern. Es ist die Kindheit und Jugend unserer Kinder, nicht unsere Bühne. Oder wolltet ihr damals, als wir in Schlaghosen und extra hohen Buffalos in irgendeinem Partykeller gefeiert haben, eure Eltern dabei haben ? Nein , ganz sicher nicht. Zu viel Eltern bremsen aus. Wir konnten uns austesten, und ausprobieren weil wir die Zeit und den Raum dazu hatten. Ohne das unsere über ambitionierten vorzeige Eltern immer präsent waren. Wenn wir uns als Super Eltern, mit ständigen Freizeitangeboten, und einem Übermaß an Fürsorge eine Bühne schaffen, dann feiern wir uns als Eltern, und stehlen unseren Kindern die Gelegenheiten und den Platz sich eigene Bühnen zu bauen.
Warum ist das ein neuer Trend geworden? Ich habe 6 Kinder. Ich bin für keines davon der Freizeitgestalter, und ich bin auch nicht immer verfügbar. Ich habe Kinder bekommen , einige Zeit lang, hatten sie Priorität. Und dann lässt man sie Stück für Stück los, und erobert sich wieder sein eigenes Leben zurück.
Warum hat sich das geändert? Warum sind viele Mütter der Meinung, sie müssten ihr Kind in einer Bullerbü Scheinwelt groß ziehen, die nichts mit der Realität zu tun hat. Warum ist plötzlich Mutter sein eine Wissenschaft? Klar gehen wir arbeiten, um den nächsten Urlaub und die Markenschuhe fürs Kind zu finanzieren. Wir gehen zu jedem anfallenden Elterngespräch. Wir sitzen im Elternbeirat, rennen zu jedem Bastelangebot, und organisieren mehrmals die Woche Spielverabredungen, mit pädagogisch wertvollem Freizeitangebot und gesundem Naschteller mit Bioäpfeln und Dinkelkeksen. Alles und ständig für das wertvolle Kind. Früher haben wir Geburtstag gefeiert mit Topfschlagen und blinde Kuh, und das Geburtstagskind bekam Geschenke. Jetzt wird man ein Vermögen los, den jedes Kind im Kindergarten bekommt etwas, weil mein Kind Geburtstag hat. Dann organisiert man eine Mottoparty, den man schließt das Kind ja quasi aus, wenn es keine super Party vorzuweisen hat, und im Anschluss bekommt selbstverständlich jedes geladen Kind noch ein Geschenk mit nachhause.
Also doch, es gab etwas das früher, in meinen Augen, definitiv besser war. Wir haben keine Kinder bekommen um in den allgemeinen Wettstreit der besten Mutter ein zu treten. Sondern wir haben sie Kind sein lassen. Wir durften auch noch etwas anderes außer Super Mama sein. Und wir, und auch meine erwachsenen Söhne hatten Zeit und Raum den sie für sich füllen konnten. Und nicht Mama macht den Hampelmann und ist all gegenwärtig, und alles, von der Klamotte, über die Brotzeitdose bis zum zum gestalteten Freizeitangebot, ist Mamas Bühne um sich zu beweisen.
Ich will das nicht. Leider kann ich mich nicht komplett entziehen, denn das geht auf Kosten meiner Kinder. Aber ich mach nicht alles mit.
In der Brotdose ist ein Toastbrot, anderes lässt er liegen. Ein nicht Bio Apfel und ein Joghurt. In der Flasche oft Apfelschorle, und Nachmittags gehen sie in den Wald, oder in den Garten, und manchmal nur faul mit den Brüdern fernsehen. Ich werde da nicht gebraucht. Es ist der Raum meiner Kinder. Und ich, kann mich daran erinnern das ich auch einen Raum habe. Nur für mich, ohne Kind und ohne Mann. Nur ich! Da in diesem Raum ist alles drin, meine Kindheit, meine Jugend, und es passt noch mehr rein. Kommt mal raus aus eurem _ich bin jetzt Mama-Raum. Und besucht euren eigenen Raum wieder. Ihr seid, und ihr dürft und ihr müsst noch. Und während ihr euren Raum wieder kennenlernt, und nicht mehr nur im Mama Raum seid, haben eure Kinder Zeit ihren eigen Raum zu gestalten. Gebt euren Kindern das wertvollste der Welt, nehmt euch zurück. Lasst sie frei, und wenn sie zurück kommen sind wir da. Aber lasst sie gehen, damit sie wiederkommen können. Ihr seid nicht Mutter geworden um euch an euer Kind zu ketten.
Lass deinem Kind Freiraum, dann hast auch du Freiraum, dann wirst du merken das ein Kind nicht das Ende von Dir selbst bedeutet. Dich gibt es immer noch. Und deine Partnerschaft auch. Deine Kinder werden ausziehen. Was bleibt dann? Eine Mutter die nicht weiß was sie machen soll. Ein Partner der sich entfernt hat, denn das Kind war immer wichtiger, und das Gefühl , man weiß gar nicht mehr wer man ist. Erobert euren Raum zurück. Wenn wir glücklich sind , sind es unsere Kinder auch. Unsere Kinder brauchen kein Bullerbü und keine Übermutti. Sie brauchen Me Time. Diese absolut wichtige Me Time brauchen nicht nur wir. Sondern jeder braucht sie. Wenn ihr eure Kinder nicht los lasst wissen diese gar nicht, was sie ohne Mama, und gestaltete Freizeit machen sollen. Und dann enthalten wir ihnen vor, was früher alles besser war!
Ihr eigener Raum, für eigene Erlebnisse, Geheimnisse und voll gepackt mit allem, was einmal nostalgische Gefühle werden können.l
Was würden unsere Kinder jetzt sagen ?
Chill mal, oder ist das auch schon Old school?
Egal wie ihr es nennen wollt, geht und freut euch. Euer Raum wartet auf euch !
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Helfer (Dienstag, 15 April 2025 14:08)
Oh ja - wie Recht du hast!