Moral und Wahrnehmung

Gehen wir davon aus das jeder (normale) Mensch eine Vorstellung von Moral hat. Da stolpern wir gleich über das erste Problem, nämlich- was ist normal ? Deshalb schreibe ich über Moral und Wahrnehmung. Beides ist miteinander verbunden. Um etwas moralisch zu bewerten, muss ich zuvor etwas wahrnehmen. Wenn ich nichts wahr zu nehmen vermag, werde ich nichts moralisch bewerten. Denn zu erst steht doch immer ein Gefühl. Ein Gefühl von Ungerechtigkeit, von Anstand, freundlich oder unfreundlich...die Liste lässt sich wohl schier endlos fortsetzen.

Gefühle werden wahrgenommen. Wo nichts wahrgenommen wird gibt es kein Gefühl. Und damit nicht einmal das Bedürfnis etwas zu bewerten.

Die meisten Menschen gehen ganz unkritisch davon aus, das alles was fassbar ist, genau so ist wie wir es wahrnehmen. Bekannten Philosophen zufolge haben wir aber nur direkten Zugang zu inneren Ideen oder Eindrücken.

Der englische Philosoph John Locke (17.Jahrhundert) gebrauchte zur Veranschaulichung ein mittlerweile recht berühmtes Bild. Locke meinte, der Verstand des Menschen wäre ähnlich einem Zimmer, das gegen jeden Lichteinfall abgeschottet ist. Einzig einige Öffnungen lassen zu das wir einzelne Abbilder von draußen sehen können. Wir gehen also davon aus das wir wissen wie es dort draußen ist, genau genommen malt aber einzig unsere innere Wahrnehmung ein Bildnis von außen. Hier gibt es jetzt einen großen Haken. Wenn unser Verstand einem solchen Zimmer gleicht, so nimmt doch jeder Verstand etwas völlig anderes wahr, und malt somit auch ein ganz individuelles Bild von draußen. 

Vereinfacht ausgedrückt, 2 Menschen sehen ein identisches Stück Rosinenkuchen, dem einen läuft das Wasser im Munde zusammen, während der andere sich angewidert abwendet. Also ist das was wir wahrnehmen keine allgemeingültige Realität, sondern nur unsere ureigene Wahrheit, die vielleicht in einzelnen Fragmenten mit der Wahrheit eines anderen übereinstimmt.

Kommen wir also zurück zur Moral. Wir gehen davon aus das wir einem allgemein gültigen Moralkodex folgen.

Fragen wir uns also, wie dieser Kodex allgemein wirken kann, wenn wir doch gerade gelernt haben, das sich jeder Mensch seine ganz eigene Wahrheit bildet. Außerdem gilt zu hinterfragen von wem oder was diese moralischen Richtlinien gefertigt wurden. Wenn wir ganz weit in der menschlichen Geschichte zurück gehen, kommt man zu dem Schluss, das moralische Sichtweisen mit den 10 Geboten auftauchen. 

Hier sind wir dann bei der Theorie des göttlichen Moralgebots.

Tagtäglich beschäftigen uns Fragen nach richtig und falsch, Tugend und Untugend, gut und böse.

Menschenrechte, Homosexualität, Tierschutz, Stammzellenforschung und und und. Die Liste ist wahrscheinlich so lang wie die Geschichte des Menschen an sich.

Mehr als jedes andere Gebiet ist die Ethik ein Minenfeld, es gibt kaum eine Chance dieses Feld ohne zu stolpern, zu durchqueren. Vor allem weil sich das Gebiet mit dazu kommen eines anderen Verstandes grundlegend ändern kann.

In allen 3 "Religionen der Bibel" (Judentum, Christentum und Islam) fußt unser Moralsystem auf dem göttlichen Gebot.

Gott diktiert uns seine Gebote, der Mensch gehorcht. So einfach ist das. Was Wiederum bedeuten würde, das uns Gott doch keinen eigenen Willen geschenkt hat, oder unser freier Wille darf sich nur innerhalb dieser Gebote bewegen. 

Wenn wir uns den 10 Geboten unterwerfen, um moralisch unantastbar zu sein, ist unser Gesetzbuch die Bibel. Im 3. Buch Mose(20:13) steht geschrieben:

"Wenn jemand beim Knabe lieget , wie beim Weibe, die haben Gräuel getan, und sollen beide des Todes sterben."

Was ist dann aber mit dem Gebot -du sollst nicht töten? Zudem wäre ein homosexueller Mensch, nach der Bibel, moralisch verwerflich! Leben wir also nach moralischen Richtlinien aus denen der Mensch längst hinaus gewachsen ist? Warum spielt Religion nach wie vor eine so große Rolle? Alles in der Bibel geschriebene, wird doch so lang gedreht und gewendet, bis es wieder passt. Damit macht sich auch von der Bibel jeder seine eigene Wahrheit. Und damit einher, auch eigene Moralische Gesätze, oder nicht?

Überall liegen diverse Stolpersteine auf unseren gedanklichen Wegen. Denn was ist mit Menschen die nicht Glauben. Ist das dann freier Wille? Wenn ja, unterliegen sie dann nicht den göttlichen Geboten, und damit den ebenso göttlichen Moralkodex? Oder ist ein ungläubiger Mensch gleich böse. Oder die moralischen Vorstellungen sind eben doch nicht so Gottgegeben, sondern wurden doch vom Mensch erschaffen? Wie kann dann also der Mensch moralische Werte für jeden als gültig betrachten, wenn jeder, wie oben überlegt, seine eigene Sichtweise hat, und das auch gar nicht zu ändern ist?

Bleiben wir bei-du sollst nicht töten. Wir dürfen keinen anderen Menschen töten. Das kann jeder einhalten. Was ist aber mit Ländern wo es noch die Todesstrafe gibt? Sind diese Länder unmoralisch, oder haben sie andere Moralvorstellungen ? Und meinte Gott, das nur der Mensch nicht getötet werden darf? Denn auch in der Bibel steht, das Tiere verzehrt, oder als Opfergabe geschlachtet wurden. Was ist also mit dem Tierschutz? Fleisch zu konsumieren wäre demnach nicht unmoralisch.

Außerdem steht in der Bibel-Auge um Auge...

Wenn jemand tötet, darf er dann getötet werden? Oder nur von dem der getötet wurde?

Oder das schöne Zitat, halte die andere Wange hin, wie sollen wir das verstehen? Zu jeder Menschen Zeit, wurde aus diesen Worten etwas anders abgeleitet. Die Moralvorstellungen haben sich ebenso gewandelt wie unsere Zivilisation.

Was unterm Strich wieder nur bedeuten kann, das der Mensch die moralischen Gesetze vorgibt. 

Und da jeder Mensch eine andere Wahrheit hat, hat auch jeder Mensch andere Moralvorstellungen. Solange wir also nicht allgemein gültig beweisen können, das unser eigener Moralkompass der einzig wahre ist, müssen wir akzeptieren, das jeder anders ist(oder isst). Denn auch Akzeptanz ist moralisch, oder nicht?

 

Ich liebe Gedankenspiele, sie sind spannend, aufschlussreich, und nicht selten belehrend. Aber vor allem so vielfältig bunt und manchmal düster wie ein Kaleidoskop. Wie oft habe ich gehört, denk nicht so viel. Aber ich lebe um zu denken, zu fühlen und zu lernen. Es ist oft zermürbend, schmerzlich und das Ende ungewiss. Aber ich will es genau so!

Das ich denken und fühlen kann, ist ein Geschenk! Mein Geschenk des Lebens, an mich. Und ich nutze es. Denn das Leben hat mir auch eine Muskelerkrankung geschenkt. Damit fallen viele meiner Träume weg. Aber bis zum letzten Tag möchte ich denken und fühlen, soweit mein Herz und Verstand mich tragen, selbst wenn meine Beine und Arme nichts mehr zu tragen vermögen.

 

Welches Geschenk hat das Leben euch gemacht, und nutzt ihr es? Lasst eure Gedanken mal wieder auf Reisen gehen, wenn ihr mögt.

Und nutzt was euch geschenkt wurde!

 

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