Solange ich denken kann, hatte ich immer das Gefühl mein Körper arbeitet gegen mich. Spätestens mit 20 wurde mir dringend bewusst, irgendetwas stimmt da nicht. Ich hatte so viele Baustellen, und es wurden immer mehr. Ernst genommen wurde ich von den Ärzten nicht wirklich, und/oder sie hatten keine Erklärung. Und wegen der größten Schwachstelle, der fehlenden Muskelkraft, wurde ich immer fleißig ermuntert zu trainieren. Aber egal wieviel ich auch trainiert habe, es half nichts. Als dann die Diagnose -Myotone Dystrophie Typ 2- stand, war das erstmal weniger Schock als Erleichterung. Immerhin bestätigte sie, das ich nicht einfach zu wenig Sport gemacht hatte, oder mir alles mögliche nur einbildete.
Wenn man jetzt etwas über diese Krankheit wissen möchte, findet sich im Internet nicht besonders viel. Dazu ist sie zu jung und kommt zu wenig vor. Das was man aber lesen kann ist erstmal nicht besonders besorgniserregend. Wenn man aber betroffen ist, merkt man recht schnell, das kann nicht alles sein. Ich habe also weiter recherchiert, bin in einer Selbsthilfegruppe unterwegs, und lese alles was an neuen Erkenntnissen zu finden ist. Und dann ist es plötzlich nicht mehr so ohne. Also auf einer Skala der schlimmen Erkrankungen ist reichlich Luft nach oben. Aber nach unten auch. Das ist natürlich meine persönliche Einschätzung.
Mittlerweile wurde also festgestellt, das die Beeinträchtigungen schon im Kindesalter anfangen können, nicht erst im letzten Lebensdrittel. Hätte mich auch gewundert, aufgrund eigener Erfahrungen. Das es eine multisystemische Erkrankung ist, war dagegen schon klar.
Mich beutelt die Krankheit schon etwas. Aber der Mensch ist ja anpassungsfähig. Wenn ich einen völlig gesunden Menschen mit mir vergleiche, ist es ein Himmelweiter Unterschied. Aber ich vergleiche nicht. Ich bin Ich. Und gemessen an mir, hab ich, wie jeder, gute und schlechte Tage. Mehr gute. Wenn gleich meine guten Tage für einen gesunden Menschen eher schlecht sein dürften. Ich möchte nicht jammern. Meine Messlatte hängt halt tiefer. Das ist meist Okay. Inzwischen. Aber ich habe auch Tage da will ich auch mal durchhängen dürfen. Also nicht nur der Körper, sondern auch mein Geist! Ich glaube das Recht habe ich. Immerhin sind meine guten Tage eigentlich schlechte Tage. An guten Tagen bin ich müde, habe Schmerzen in Muskeln, Gelenken und Händen, bin kurzatmig, kann höchstens 10 Minuten um den Block laufen und
die Konzentration lässt zu wünschen übrig. An schlechten Tagen sind die Schmerzen so schlimm das ich Schmerzmittel brauche. Ich bin sehr müde, richtig bleimüde, ich bin kaum gehfähig, kann mir die einfachsten Dinge keine 2 Sekunden merken, außerdem kommen dann oft noch Migräne und starke Verkrampfungen in Händen, Beinen, Armen, Nacken, Rücken ect. dazu. Das meiste bekommen die wenigsten um mich herum mit. Und das ist auch gut so, sonst werde ich schnell auf meinen kranken Körper reduziert. Aber ich stecke da auch noch drinnen. Und das ist es was mich manchmal runterzieht. Mich wütend und frustriert macht. Mein -ICH- will ja! Ich habe Wünsche, Träume, Erwartungen, Hoffnungen und Bedürfnisse. Aber mein Körper macht nicht mit. Manchmal fühlt sich mein wacher, starker und tatendurstiger Geist , gefangen in meinem müden schmerzenden Körper!
Darf ich da nicht hin und wieder auch mal heulen und zetern ?
Mein Mann, meine große Liebe, ist Meister in platte Sprüche klopfen. So Sachen wie: Ärgere Dich nicht, denn das Ärgern macht hässlich! Da kann ich so richtig grantig werden. Das ist so gar nicht hilfreich. Und wenn ich mal durchhänge, wirklich eher selten, und von ihm kommt : In Depressionen zu verfallen bringt da auch nichts! Dann ist das auch nicht hilfreich, eher fühlt es sich an, als wenn er gar nicht mit bekommt wie ich kämpfe, weil ich ja nicht immer jammere.
Aber er ist immer da, er ist lieb und fürsorglich. Danke Axel ! Ohne das du die Wolken weg schiebst, hätte es meine Sonne schwerer zu scheinen.
Und an alle platte Sprüche Klopfer da draußen. Wahrscheinlich sind eure platten Sprüche Ausdruck eurer Hilflosigkeit der Situation gegenüber !
Aber für uns kann es verletzend und abwertend rüber kommen. Ihr dürft hilflos sein. Das macht euch nicht schwach. Manchmal einfach nur zuhören. Vielleicht ein Taschentuch reichen, in den Arm nehmen ! Das ist stark , und so gar nicht platt !!!
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Ute Leskien (Donnerstag, 04 Januar 2024 22:43)
Danke du hast wunderbar beschrieben was bei uns Prommis der ganz normale Wahnsinn ist.
Ingrid Stöckmann (Donnerstag, 04 Januar 2024 23:39)
Das könnte ich 1 zu 1 so übernehmen, du hast das einfach und verständlich geschrieben. Danke! �
Nancy (Freitag, 05 Januar 2024 03:38)
Danke, das du es so schön in Worte gepackt hast. Ich musste weinen!
Irene Ulbricht (Freitag, 05 Januar 2024 16:08)
Danke dir, du hast ausgedrückt was uns PROMMis wohl alle mehr oder weniger beschäftigt. Mir geht's da wie dir, ich will aber ich kann nicht mehr wie ich will und ein "das kannst du schon" ist da halt nicht sehr hilfreich. Liebe Grüße Irene